Star-Visagist René Koch im exklusiven Interview
Wer beruflich mit Kosmetik zu tun hat, dem muss man den Namen René Koch nicht näher erläutern. Der international bekannte Star-Visagist hat mit KOSMETIK international über den Beruf des Make-up Artists, Social Media und seine Wünsche an den „Nachwuchs“ gesprochen.
Herr Koch, heute posten auf sozialen Netzwerken wie TikTok immer mehr Make-up Artists ihre, teilweise sehr abgedrehten, Looks. Haben diese Ihrer Meinung nach noch etwas mit dem „echten“ Handwerk zu tun?
Es ist doch großartig, welche Möglichkeiten heute den Visagisten und Visagistinnen zur Verfügung stehen. Längst sind sie nicht mehr darauf angewiesen, ob eine Redaktion über ihr Wirken berichtet. Sie tun es einfach selbst. Also kann der Fan oder Nutzer der entsprechenden Seiten direkt selbst urteilen, wie ihm der Look gefällt. Wobei ich persönlich finde: Make-up-Kunst (Make-up Art) kommt von Können und Können wird sich letztendlich immer durchsetzen. Alles andere sind Eintagsfliegen.
Sie sind mittlerweile seit mehr als 50 Jahren ein wichtiger Teil der internationalen Beauty-Branche. Wie nehmen Sie die Veränderung der Kosmetik-Szene wahr?
Ja, ich komme aus einer ganz anderen Zeit, habe quasi Kosmetik von der Pike auf gelernt. Als ich 1968 zur Kosmetikschule ging, musste ich eine Fachausbildung zum Kosmetiker mit Abschluss und Diplom machen. Ich war damals der einzige männliche Schüler an der Kosmetikschule. Das hat sich heute grundlegend geändert, denn viele junge Männer streben den Beruf des Visagisten an. Und das ist auch gut so. Übrigens: Davor absolvierte ich eine dreijährige Lehre als Werbedisplay-Gestalter.
Als junger Mann in den 1960er-Jahren seine berufliche Erfüllung im Stylen und Schminken zu finden, war sehr ungewöhnlich. Welche Hürden gab es auf dem Weg nach oben zu überwinden?
Eigentlich wusste ich zu der Zeit gar nicht, was ein Visagist ist und was er macht. Erst durch die Entdeckung meines Talents durch die Kosmetikriesen Charles of the Ritz (New York) und Yves Saint Laurent Beauté (Paris) wurde mir klar, wie umfangreich dieser Beruf ist und sein kann. Dort habe ich die internationale Kunst des Schminkens gelernt, aber auch die Disziplin, die zum Erfolg dazugehört. Übrigens, die Berufsbezeichnung Visagist hat mein berühmter Kollege aus Paris, Fernand Aubry, erfunden. Er arbeitete dort in einem Kosmetikstudio, nebenan war ein Blumengeschäft (auf französisch Fleuriste). Aubry, der mit Gesichtern (Visage) ar-
beitete, nannte sich folglich Visagiste. Das war die Taufe dieses damals noch jungen Berufes.
Was können junge Visagisten von langjährigen Profis wie Ihnen lernen?
Nicht aufgeben, wenn etwas nicht gleich klappt, sich weiterbilden. Gerade in einem Beruf, der der Mode, besser gesagt, den Moden unterworfen ist, sollte man stets up to date sein, offen und tolerant für Neuerungen, auch wenn es manchmal noch so ungewöhnlich ist. Ich habe alles kennengelernt: Die Eleganz der 60er, den Punk der 70er, den Glitter der 80er, den Nude Look des Millenniums und den Gendertrend der Neuzeit.
Was würden Sie sich für die Ausbildung von jungen Visagisten heutzutage wünschen?
Auf jeden Fall ein ordentliches Fundament. Kenntnisse in der Farbenlehre, Hauttyp-Bestimmung, Gesichtsformenlehre, das Wissen über Inhalts- und Wirkstoffe nach der europäischen Kosmetikverordnung. Ratsam ist auch eine Zusatzausbildung zum Thema Hautano-malien. Denn es gibt so viele Menschen mit Hautproblemen wie Rosazea, Vitiligo, Narben, Pigmentflecken usw., die ebenfalls Beratung beim Visagisten suchen. Ich selbst kümmere mich seit 30 Jahren ehrenamtlich um diese Zielgruppe, wofür ich mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.
Sie und Ihr verstorbener Freund Udo Walz haben es geschafft, aus Ihrer Person eine weltweite Beauty-Marke zu machen. Wie ist Ihnen das gelungen und wäre das so 2023 auch noch möglich (gewesen)?
Ja natürlich! Durch die sozialen Medien ginge das sogar noch einfacher als damals. Wir waren darauf angewiesen, dass die Redaktionen, Magazine und TV-Sender uns nach vorne ließen und über uns berichteten. So ist es uns gelungen, Prominente auf uns aufmerksam zu machen wie Jodie Foster, Dalida, Claudia Schiffer, Juliette Greco, Bonnie Tyler, Brigitte Nielsen, Barbara Becker, Shirley Bassey, Shirley MacLaine usw. Dazu kamen die Beauty-Sendungen „Mein schönster Tag“ (MDR), „Fernsehgarten“ (ZDF), Frühstücksfernsehen (SAT1),Talk-shows und Verkaufsshows beim Homeshoppingsender HSE24.
Neben Ihren Büchern und Beauty-Produkten sind Sie als Gründer des Lippenstift-museums in Berlin bekannt. Was ist das Besondere daran?
Nach zehn Büchern, einer eigenen Make-up- und Kosmetikserie widme ich mich heute der Kulturgeschichte des Lippenrots und habe 2008 das Lippenstiftmuseum in Berlin gegründet. Zuerst gab es eine Ausstellung in den Berliner Galeries Lafayette, die weltweite Aufmerksamkeit genoss. Daran schloss sich eine Tournee durch Deutschland an, seit 15 Jahren hat es seinen festen Standort in Berlin. Hier finden Menschen, die etwas über die Kulturgeschichte des Lippenrots erfahren wollen, einen wunderbaren und einzigartigen Ort der Schönheit.
Die Liste der Promis, denen Sie Lippenstift auflegen durften, ist unendlich lang. Gibt es eine Geschichte mit einem Celebrity, an die Sie sich besonders gerne erinnern?
Na klar, Hildegard Knef, Deutschlands größter Star neben Marlene Dietrich. Die Knef habe ich drei Jahrzehnte beautymäßig betreut. Sie machte die Smokey Eyes mit doppelt geklebten Wimpern in Deutschland populär. Auf Tournee mit ihr hatte ich in einer Garderobe ein Fenster gekippt, für frische Luft. Dabei ist ein Wimpernpaar verschwunden, das ich bereits mit Klebstoff eingestrichen hatte. Wir suchten alles ab, Hilde sagte „Mit eener Wimper tret‘ ick nich uff!“ Drama, Drama! Dann kroch sie selbst unter den Schminktisch und ich rief „Hier ist sie!“, sie klebten unter ihren Schuhen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Kosmetik-Branche?
Dass sie weiterhin so kreativ ist wie bisher und dass viele junge Frauen und Männer erkennen, dass der Visagist oder Make-up Artist nicht nur ein Modeberuf ist, sondern Berufung sein kann. Weiterhin wünsche ich mir, dass der Nachwuchs als Ansporn mit dem Newcomer-Award ausgezeichnet wird, den ich vor 18 Jahren zusammen mit KOSMETIK international und den COSMETICA Messen ins Leben gerufen habe. Nach 55 Jahren kann ich nur sagen, ich würde es wieder tun: Denn Menschen schöner zu machen bedeutet auch, Menschen glücklich zu machen.