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Aktuelles // 27.02.2023

Sind Wimpernseren schädlich?

Wimpernseren versprechen längere, dichtere und gestärkte Wimpern. Je nach Produkt soll der Wow-Effekt nach zwei, vier oder sechs Wochen eintreten. Sie stehen mittlerweile in vielen Beauty-Instituten griffbereit im Kassenbereich. Doch sind die „Kuren“ so harmlos, wie sie wirken?

Warnung vor Prostaglandin-Analoga

Nicht unbedingt. Gerade die Produkte, die auf Prostaglandin-Analoga und -Derivate setzen, um die ausgelobte Wirkung zu erzielen, stehen im Verdacht, vorübergehende, teilweise gar bleibende Schäden auslösen zu können. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit warnt seit Jahren vor prostaglandin-haltigen Wimpernwachstumsseren. Die Kosmetik-Kommission des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, Prostaglandin-Analoga in Kosmetika zu verbieten und auch große deutsche Krankenkassen haben dem Thema eine eigene Info-Seite gewidmet. Denn Prostaglandine werden eigentlich in der Augenheilkunde eingesetzt, etwa zur Senkung des erhöhten Augeninnendrucks.

Unerwünschte Nebeneffekte

Probleme können Produkte bereiten, die den Inhaltsstoff „Prostaglandine (Gewebshormone)“ in abgewandelter bzw. künstlich hergestellter Form verwenden. Durch die Wirkung können, neben einem verstärkten Wimpernwachstum, auch unerwünschte Effekte auftreten. Das künstlich hergestellte Prostaglandin („Prostaglandin-Derivat“) verlängert, vereinfacht gesagt, die Wachstumsphase der Wimpern. Dadurch können sich mehrere Wimpern gleichzeitig in ein und derselben Wachstumsphase befinden, wodurch der Wimpernkranz länger und dichter wird. Es wurde außerdem beobachtet, dass die Wimpern dunkler werden können. Aufgefallen ist das eigentlich als Nebenwirkung während der Verwendung von Augenarzneimitteln. Zwar werden die Seren mit einem feinen Pinsel wie ein Eyeliner lediglich auf den oberen Wimpernkranz aufgetragen. Dennoch kann es dazu kommen, dass etwas Substanz ins Auge gelangt. Und das sehen insbesondere Augenärzte kritisch. Die häufigsten Nebenwirkungen, die beschrieben werden, sind Augenrötungen, Jucken, tränende Augen und Ausschlag auf der Haut um das Auge herum. In seltenen Fällen konnten auch Verfärbungen der Iris und Sehstörungen verzeichnet werden. Arzneimittel, die Prostaglandine enthalten, sind deswegen verschreibungspflichtig.

Kosmetik oder Arzneimittel?

Daher sehen viele Experten Wimpernseren mit diesen oder nachgebauten Substanzen kritisch. Dabei geht es häufig um die Frage, ob ein Produkt als Arzneimittel oder Kosmetikum eingestuft wird. Dies hat bedeutende Konsequenzen für den Verbraucher: Arzneimittel durchlaufen hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit detaillierte Studien und Tests an Probanden. Zudem müssen die strengen Regeln des Arzneimittelrechts eingehalten werden. Bei Kosmetika ist dies nicht der Fall. Für das Inverkehrbringen und die Haftung gelten andere, in der Regel sehr viel lockerere Maßstäbe. Ein konkreter Streitfall wurde mittlerweile bis vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) getragen. Dieser hat in diesem Einzelfall entschieden: Das bertreffende Produkt verbessere zwar das Aussehen und habe damit eine physiologische Wirkung, gleichzeitig konnten keine schädlichen Eigenschaften und keine gesundheitsfördernden Wirkungen festgestellt bzw. nachgewiesen werden. Das genannte Wimpernserum ist somit kein Arzneimittel. Ob sich diese Rechtsprechung auch auf andere Produkte anderer Hersteller oder mit anderen Inhaltsstoffen übertragen lässt, bleibt abzuwarten. Ob ein Produkt als Arzneimittel oder Kosmetikum eingestuft wird, ist letztlich immer eine Einzelfallprüfung. Einige der Inhaltsstoffe, die als „bedenklich“ diskutiert werden, erkennt man an der Endung oder Wortsilbe „prost“, z. B. „Bimatoprost“ oder „Dechloro Dihydroxy Difluoro Ethylcloprostenolamid“. Es gibt auch Wimpernseren ohne diese Inhaltsstoffe. Wer für sich selbst, aber auch in der Beratung am Kunden auf Nummer sicher gehen möchte, (ver)kauft Wimpernseren, die anders aufgebaut sind. Doch das Studium der Beipackzettel und die Auflistung der Inhaltsstoffe ist alles andere als einfach zu durchschauen. Die Internetseite www.cosmeticanalysis.com oder auch codecheck.de (auch als App erhältlich) können hier weiterhelfen.

Gloria Reich