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Allgemein // 01.03.2023

Money Mindset: Den richtigen Umgang mit Geld lernen

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass besonders Frauen von Altersarmut betroffen sind. Die Gründe dafür sind teilweise historisch bedingt, teilweise auch sozialer Natur. Finanz-Expertin Heike Hämer macht sich aus diesem Grund für die finanzielle Bildung von Frauen stark.

1. Warum beschäftigen sich Frauen nur zögerlich mit ihrer finanziellen Absicherung, obwohl gerade sie von Altersarmut betroffen sind?
In unserem Land ist das Thema Geld leider noch immer ein Tabu-Thema. Wir reden zu wenig über Geld. Finanzielle Bildung ist Mangelware und Verschwiegenheitsklauseln in Arbeitsverträgen, die untersagen, miteinander über Gehalt zu sprechen, tun ihr Übriges, das Thema Geld auch gesellschaftlich auf einem niedrigen Level zu halten. Um zu ergründen, warum sich gerade Frauen zu wenig um ihr Geld kümmern, hilft auch ein Blick in unsere Vergangenheit. Es gab den sog. Gehorsamsparagraphen, der besagte, dass dem Mann die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zusteht; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung. Erst in 1957 wurde dieser Gesetzesparagraph ersatzlos gestrichen. Noch bis 1962 durfte eine Frau nur mit Zustimmung ihres Ehemannes ein eigenes Bankkonto eröffnen. Eine Frau benötigte die Erlaubnis ihres Ehemannes, um arbeiten gehen zu dürfen. Erst in 1977 wurde dieses Gesetz geändert. Es kling vielleicht so, als sei all das lange her, doch zu diesem Zeitpunkt war ich 13 Jahre alt. Heute ist dies undenkbar und fühlt sich nach Unterdrückung an. Dennoch brauchten sich die Frauen damals wenig Sorgen um ihre Zukunft zu machen. Durch ihre gefestigte Situation in der Familie waren sie meist finanziell gut versorgt. Frauen, die heute im mittleren Alter sind, sind Töchter dieser Mütter. Sie haben erfahren, dass ihre Mütter sich nicht ums Geld zu kümmern hatten. Dass es diesen Frauen heute schwerfällt, sich mit ihrer finanziellen Absicherung zu befassen, ist nachvollziehbar und verständlich, denn als Töchter wurde es ihnen so vorgelebt. Auch Glaubenssätze tragen dazu bei, dass Frauen einen großen Bogen um das Thema Geld machen. Sätze wie „Geld macht nicht glücklich“, „Lieber arm und gesund als reich und krank“ oder „Bescheidenheit ist eine Zier“ sitzen tief im Unterbewusstsein. Frauen lassen sich durch diese oder ähnliche Glaubenssätze steuern, ohne dass es ihnen bewusst ist.

2. Warum haben Sie sich auf Frauen und Finanzen spezialisiert? Frauen sind das Herz unserer Gesellschaft. Sie haben eine hohe soziale Kompetenz und nur diese ermöglicht, dass sie dazu bereit sind, Jobs auszuführen, in denen sehr viel Einsatz für sehr wenig Geld gefordert ist, um anderen Menschen damit zu dienen. Parallel dazu sind sie für ihre Familie da und sind oftmals auch noch im Ehrenamt tätig. Frauen schauen jedoch zu wenig auf sich selbst. Vor allem schauen sie zu wenig auf ihr Geld. Dies gilt sowohl für ihr Einkommen als auch für ihre Altersvorsorge. Sie wissen oft nicht, wo sie anfangen sollen und stellen daher ihre eigenen Bedürfnisse zurück, verschieben es auf morgen, später, irgendwann… Das Selbstbewusstsein der Frauen leidet darunter und sie sind nicht in ihrer vollen Kraft. Wenn sie dann den Schritt wagen und ein Beratungsgespräch bzgl. ihrer Altersvorsorge suchen, finden sie meistens einen männlichen Berater, in dessen Gespräch sie sich eher belehrt, teilweise überrumpelt oder gar genötigt fühlen, wenn es um den Abschluss von Verträgen geht. Selten fühlen sie sich verstanden. Mir ist wichtig, das GeldBewusstSein der Frauen anzufachen. Ich bringe das Thema Geld bei den Frauen in die Präsenz und ermutige sie, sich mit ihrem Geld und ihrer finanziellen Zukunft zu befassen. Ich mag es sehr, wenn Frauen durch mein Coaching oder meine Seminare feststellen, dass all diese Dinge rund um die Finanzen gar nicht so schwer zu verstehen sind. Und es berührt mich tief, wenn diese Frauen dann selbstbewusst Verantwortung für ihre Finanzen übernehmen und sich klug und vorausschauend kümmern um ihr Geld und ihre Altersvorsorge.

3. Welche Hürden müssten abgebaut werden, damit sich Frauen mehr für das Thema Geldanlage interessieren? Das Thema Geld sollte schon in der Schule seinen Platz finden, vertiefend auch in Ausbildung und Beruf gefestigt werden. Solides FinanzWissen sollte gelehrt werden und zwar nicht durch die örtliche Sparkasse oder Raiffeisenbank, sondern auf neutraler und unabhängiger Basis. Es sollte völlig normal sein, miteinander über Geld zu sprechen. Wenn in diesem Themenbereich mehr Leichtigkeit wäre, wären gerade Frauen viel motivierter, sich mit Geld auseinanderzusetzen. Dann würde sicher auch mehr miteinander über Geldanlagen und Möglichkeiten gesprochen und Menschen könnten voneinander lernen. Langfristige Auswirkungen der Inflation im Zusammenhang mit der Altersvorsorge sollten immer wieder thematisiert werden, auch in den Medien. Auf dem Rentenbescheid steht zwar, dass man den Kaufkraftverlust beachten solle. Doch niemand erklärt, was genau das eigentlich bedeutet und wie man sich schützen kann. Letztendlich bräuchte es eine landesweite Kampagne, basierend auf neutraler Wissensvermittlung in Sachen Geld, um die FinanzKompetenz der Menschen in unserem Land zu erhöhen. Ein Führerschein in Sachen Geld zum Beispiel wäre klasse. So, wie jeder mit 18 seinen Führerschein fürs Autofahren macht, könnte es genauso selbstverständlich sein, vor dem Geld verdienen einen Geld-Führerschein zu machen.

4. Wie gelingt die finanzielle Emanzipation?
Jeder Frau ist klar, dass sie gut daran täte, selbst für sich sorgen zu können. Das Bewusstsein dafür ist das eine, die Umsetzung eine andere Sache. Nicht jede Frau studiert und nicht jede Frau findet einen gut dotierten Job. Nicht jede Frau kann dauerhaft arbeiten, wie sie möchte, weil sie vielleicht alleinerziehend ist oder ein behindertes Kind betreut. Es gibt Berufe, in denen das Lohnniveau nicht besonders hoch ist. In der Pflege zum Beispiel, in der vorwiegend Frauen tätig sind, wurde wiederholt die Notwendigkeit bekundet, dass Pflegekräfte deutlich besser bezahlt werden sollten. Doch geschehen ist bisher so gut wie nichts. Auch im Bereich der sozialen und der Dienstleistungsberufe liegt der Verdienst eher im unteren Bereich. Solange sich an diesem Lohnniveau nichts verändert, wird es schwierig mit der finanziellen Emanzipation. Angenommen, die von Frauen geleistete Care-Arbeit würde bezahlt werden. Angenommen, jede Stunde für die Kindererziehung, jede durchwachte Nacht am Kinderbett, jede Unterstützung bei der Pflege der Angehörigen würde angemessen bezahlt werden, würde dies eine große Veränderung bewirken. Wir hätten eine andere Welt. Frauen würden nicht nur gute Worte erhalten, sondern auch Geld für das was sie tun. Und von diesem Geld könnten sie gut leben und sich auch ihre Altersvorsorge aufbauen. Welch eine großartige Form der Wertschätzung wäre das: Die Gesellschaft bezahlt die Frauen für ihre Tätigkeiten in der Familie. Wie würden die Frauen sich fühlen? Wie würde die Gesellschaft auf diese Frauen blicken? Vermutlich gäbe es einen ganz anderen Respekt für diese CareArbeit und damit auch finanzielle Emanzipation. Dies ist natürlich ein Wunschdenken. Doch wie könnte finanzielle Emanzipation denn nun gelingen? Frauen sollte sich mehr zutrauen. Sie sollten selbstbewusster auftreten und bei der Jobwahl nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf das Geld schauen. Wann war die letzte Gehaltserhöhung? Frauen sollten das Gespräch suchen und sich aktiv für eine Gehaltserhöhung einsetzen. Wenn dies nicht gelingt, gibt es vielleicht in einem anderen Betrieb ein besseres Gehalt – ein Wechsel des Arbeitgebers sollte folglich ebenfalls in Erwägung gezogen werden. Heike Hämer FinanzCoach In meinen Coachings animiere ich meine Coachees dazu, auch das eigene Konsumverhalten auf den Prüfstand zu stellen. Die Industrie macht es sich zu Nutze, dass Frauen „weniger preisempfindlich“ sind als Männer. Das Ergebnis ist die sogenannte Pinkflation, auch Pink Tax genannt. So sind Kosmetik- und Drogerieprodukte für Frauen teurer als für Männer. Auch der Friseurbesuch einer Frau kostet im Verhältnis mehr als der für einen Mann. Selbst bei der Kleidung trifft es die Frauen: Die Teuerungsrate ist höher bei Frauenkleidung als bei Männerkleidung. Es ist an der Zeit, dass Frau sich wehrt und das kann sie am besten, indem sie ihr Konsumverhalten bewusst steuert. Es ist ihr Geld – sie entscheidet, wofür sie bereit ist, Geld auszugeben und auch, wofür nicht! Wenn statt dem Kauf eines Kleidungsstücks dieser Betrag in einen Fondssparplan fließt und dort renditestark über viele Jahre arbeitet, ist ein kleiner Schritt für die Altersvorsorge getan. Jede Veränderung, jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt – es braucht das BewusstSein, etwas verändern zu wollen.

5. Wie viel Aufwand ist nötig, um ein gutes Grundlagenwissen im Bereich Finanzen aufzubauen?
Aus meiner Sicht ist entscheidend, eine gute Form der Herangehensweise zu finden. Sucht Frau im Internet etwas zum Thema Altersvorsorge, so erhält sie rd. 59.000.000 Ergebnisse. Wo soll sie beginnen, welche Infos sind zielführend, wer meint es gut mit ihr und will ihr nicht nur etwas verkaufen? Es gibt gute Podcasts und auch Videos, die Frau im Internet findet. Auch gibt es mittlerweile viele Bücher zu diesem Thema. Themenspezifische Zeitschriften sind eine weitere Möglichkeit, tiefer in das Thema einzusteigen. Relativ schnell geht der Wissensaufbau mit meinen Seminaren. Fünf Stunden lang arbeiten die Frauen mit mir und haben danach ein finanzielles Grundwissen: Vom Einnahmen- und AusgabenCheck über Budgets, strukturiertes Sparen, verschiedene Sparformen, Inflation und ihre Auswirkungen bis hin zum Sparen in Sachwerten wie Aktien oder Investmentfonds und ETF‘s erstreckt sich die Reise durch die GeldWelt. Auf diesen Grundlagen kann Frau ihr Wissen ausbauen und weiß nun auch, in welcher Richtung sie gezielt weiter recherchieren möchte. Außerdem hat sie gelernt, wo sie suchen kann und auf was es zu achten gilt.

6. Mit welcher Strategie erreicht man finanzielle Absicherung?
Die Wege für eine finanzielle Absicherung sind unterschiedlich und die individuelle Situation muss immer einbezogen werden, doch aus meiner Sicht ist eine Investition in Sachwerte unerlässlich. Sachwerte sind Dinge, die man anfassen kann, z. B. Immobilien, Grundstücke, Edelmetalle wie Gold oder Silber, Anteile an Unternehmen in Form von Aktien oder Investmentfonds oder den kostengünstigen ETF`s. Die meisten Menschen in Deutschland sparen jedoch noch immer in den sogenannten Geldwerten. Das sind Guthaben auf Tagesgeldern, Sparkonten, in konventionellen Lebens- und Rentenversicherungen etc. Doch diese Sparformen wie auch unser Geld als solches unterliegen dem Kaufkraftverlust. Die Inflation nagt schleichend an unserem Vermögen, unser Geld wird nach und nach immer weniger wert. Wir spüren dies momentan besonders, wenn wir einkaufen gehen. Alles wird teurer, wir können für unser Geld immer weniger kaufen. Beim langfristigen Sparen hat dies fatale Folgen. Ein Beispiel: Angenommen, Frau spart monatlich 150 Euro über 25 Jahre in einen Sparvertrag zur Altersvorsorge und erhält dafür 2% Zinsen, so erhält sie nach Ablauf die Summe von rd. 58.000 Euro (Kosten des Vertrags sind nicht berücksichtigt). Nehmen wir weiter an, dass die durchschnittliche Inflation in den nächsten 25 Jahren bei 3% liegt, bedeutet dies, dass die Kaufkraft dann eben nur noch bei rd. 32.000 Euro liegt. Eine finanzielle Absicherung kann Frau also nur erzielen, wenn der Zins oder die Rendite auf ihr angespartes Geld oberhalb der Inflationsrate liegt. Da die Zinsen jedoch schon seit langer Zeit deutlich unterhalb der Inflation liegen, bleibt aus meiner Sicht nur, das Geld in Sachwerten anzulegen und damit bessere Renditen zu erzielen. Heike Hämer FinanzCoach Investmentfonds und ETF`s eignen sich dazu besonders gut, da in diesen Anlageformen eine hohe Flexibilität gegeben ist. Monatliches Sparen ist bereits ab 25 Euro möglich und auch einmaliges Investieren ist ab ca. 5.000 Euro sinnvoll. Es gibt keine starren Vertragsregelungen – monatliche Beiträge können jederzeit erhöht, verringert oder pausiert werden, Fondsanteile können verkauft werden. Fondsanlagen sind eine sehr flexible Anlageform und gewähren im Vergleich zu Einzelaktien eine breite Streuung des Risikos. Dennoch gibt es natürlich keine Garantie. Fondsanlagen unterliegen den Schwankungen der Märkte und beinhalten sowohl Chancen als auch Risiken. Daher ist es wichtig, dass Frau sich mit dem Thema auseinandersetzt und sich FinanzWissen aneignet, um für sich die Chancen und Risiken einschätzen zu können.

7. Gibt es auch einen Generationenunterschied im Umgang mit Geld?
Meiner Erfahrung nach gibt es durchaus einen Generationenunterschied. Junge Frauen gehen eher unbefangen mit der Thematik um. Sie probieren gerne Dinge aus und nutzen öfter die vielfältigen Möglichkeiten themenspezifischer Podcasts und Finanz-Apps. Doch auch hier spielt die Prägung durch Eltern und die Bildung eine Rolle. Wenn Menschen nie gezielt an finanzielle Themen herangeführt werden oder Vorbilder haben, ist auch in jungen Generationen die Motivation, sich mit den eigenen Finanzen zu befassen, bei weitem nicht so ausgeprägt, wie sie sein sollte.

8.Nach dem Wiedereinstieg in den Beruf arbeiten Frauen häufig Teilzeit. Was halten sie davon?
Aus rein materieller Sicht betrachtet wäre es deutlich besser, Frauen würden nach ihrer Babypause wieder voll in ihren Job einsteigen. Sie würden ein volles Gehalt verdienen und auch ihre Rentenansprüche wären deutlich höher. Wenn wir den finanziellen Aspekt nicht mit einbeziehen, sieht die Situation schon anders aus. Denn neben Gender Pay Gap (dem VerdienstAbstand zwischen Männern und Frauen) und dem Gender Pension Gap (dem Abstand des Alterssicherungseinkommens zwischen Männern und Frauen) gibt es eben auch den Gender Care Gap. Dieser besagt, dass Frauen im Durchschnitt täglich rund 52% mehr an Zeit für unbezahlte Sorgearbeit wie Kindererziehung, Pflegetätigkeit etc. aufwenden als Männer. Schaut man sich den Alltag von Müttern kleinerer Kinder an, so ist deren Belastung oder sogar Überlastung sichtbar. Wenn Frau nun bei allem auch noch Vollzeit arbeitet, bleibt die Frage, welche Auswirkungen dies auf die Lebensqualität der Frauen und der Kinder hätte. Vielleicht bin ich da zu „altmodisch“, doch ich empfinde die Zeit, die ich für und mit meinen Kindern hatte, als sie klein waren, als eine sehr wertvolle Zeit und die Prägung in der Familie ist durch keine noch so gute KiTa ersetzbar. Aus meiner Sicht sollten Familien darüber nachdenken, intern einen finanziellen Ausgleich zu schaffen. In der traditionellen Familie könnte der Mann als Hauptverdiener einen Teil seines Verdienstes abgeben an seine Partnerin, die weniger verdient. So könnte ein entsprechender Ausgleich für die CareArbeit geschaffen werden. Das gleiche gilt natürlich für andere Arten von Lebensformen, in der zwei Menschen sich um die Kindererziehung oder Pflege von Angehörigen kümmern.

Über Heike Hämer:
Seit 2016 bietet die Expertin Finanz-Coachings in Seminaren, Vorträgen und
Einzel-Coachings an. Dabei liegt ihr die Finanz-Bildung von Frauen besonders am Herzen.  www.heikehaemer.de

Alexandra Kluge